Am 30.06.2022 wurde das „Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“ im Bundesgesetzblatt amtlich verkündet. Wir stellen die sich daraus ergebenden wesentlichen Änderungen mit Wirkung seit 01.10.2022 vor:
Mindestlohn
Die Erhöhung des Mindestlohns zum 01.10.2022 auf EUR 12,00 brutto pro Zeitstunde ist allgemein bekannt. Diese Mindestlohngröße wird bis zum 31.12.2023 Bestand haben. Für die Zeit danach sollen turnusgemäße Anpassungen wieder auf Vorschlag der sog. Mindestlohnkommission, in der Arbeitgeber und Gewerkschaften vertreten sind, erfolgen.
Als Folgeänderung werden die für die Ausnahmen von den Dokumentationspflichten geltenden Entgeltbeträge bei Beschäftigung in den im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftszweigen (nach der sog. Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung) angepasst. So ist die Dokumentation entbehrlich, wenn das verstetigte regelmäßige Monatsentgelt entweder brutto EUR 4.176 (bis 30.09.2022: EUR 2.958) oder bei nachweislicher Zahlung für die letzten vollen zwölf Monate brutto EUR 2.784 (bis 30.09.2022: EUR 2.000) überschreitet.
Mini-Jobs
Die Anhebung des Mindestlohns wirkt sich auch auf die geringfügig entlohnte Beschäftigung im Rahmen sog. Mini-Jobs (bislang auch 450-Euro-Jobs genannt) aus. Die bisher statisch gefasste Geringfügigkeitsgrenze wird künftig unter Zugrundelegung einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden und entsprechend der Entwicklung des Mindestlohns dynamisch ausgestaltet. Sie wird nach Gesetzeswortlaut berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro abgerundet wird. Zum 01.10.2022 ergibt sich mithin eine Geringfügigkeitsgrenze mit einem monatlichen Arbeitsentgelt i.H.v. EUR 520,00.
So ist künftig eine geringfügig entlohnte Beschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von bis zu zehn Stunden unter Mindestlohnbedingungen auch dann unverändert möglich, wenn der Mindestlohn steigt. Arbeitgeber müssen also nicht mehr prüfen, ob sich durch eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns Änderungsbedarf in Bezug auf den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Mini-Jobs ergibt.
Das regelmäßige Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze führt wie gehabt zur Sozialversicherungspflicht, ggf. im Rahmen eines sog. Midi-Jobs. Allerdings wird die bisher lediglich in den sog. Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger verankerte Möglichkeit eines gelegentlichen und unvorhersehbaren Überschreitens der Entgeltgrenze für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nunmehr – in strengerer Form – gesetzlich geregelt. Ein unvorhersehbares und damit für den Mini-Job unschädliches Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze liegt danach vor, wenn diese innerhalb eines Zeitjahres in nicht mehr als zwei Kalendermonaten (bisher, nach den Geringfügigkeits-Richtlinien vom 26.07.2021: drei Kalendermonate) um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Geringfügigkeitsgrenze (bisher: keine Betragsobergrenze) überschritten wird.
Midi-Jobs
Die Entgeltspanne für sog. Midi-Jobs im Übergangsbereich steigt von derzeit EUR 450,01 bis EUR 1.300 auf EUR 520,01 bis EUR 1.600 monatlich.
Für bereits vor dem 01.10.2022 begonnene Beschäftigungen mit einem regelmäßigen Monatsentgelt von EUR 450,01 bis EUR 520,00 sind Bestandsschutzregelungen in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung bis zum 31.12.2023 vorgesehen. Hierdurch wird dieser Beschäftigungsgruppe ein gleichbleibender Sozialversicherungsschutz zugestanden, den sie anderenfalls bei Eingruppierung als Mini-Jobber verlieren würden. Optional können sich diese Beschäftigten auch von der Sozialversicherungspflicht befreien lassen, beispielsweise weil sie anderweitig für den Krankheitsfall abgesichert sind. Hierfür ist ein Antrag bei der Agentur für Arbeit zu stellen. Die Befreiung wirkt rückwirkend auf den 01.10.2022, wenn sie bis zum 31.12.2022 beantragt wird. Erfolgt die Antragstellung zu einem späteren Zeitpunkt, wirkt sie vom Beginn des auf die Antragstellung folgenden Kalendermonats an.
Des Weiteren wird die Formel zur Entlastung der Beschäftigten im Übergangsbereich ab dem 01.10.2022 so geändert, dass der Belastungssprung im Beitragsrecht beim Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung künftig entfällt. Gleichzeitig wird eine neue Formel zur Berechnung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile betreffend die Sozialversicherungsbeiträge eingeführt. Mit der Neuregelung wird der Arbeitgeberbeitrag im unteren Übergangsbereich erhöht und gleitend von 28 % auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag von i.d.R. 19,975 % abgeschmolzen. Somit werden die Arbeitgeber am unteren Ende des Übergangsbereichs im Vergleich zur bisherigen Regelung stärker belastet, während die Arbeitnehmer im Gegenzug entlastet werden; am oberen Ende des Übergangsbereichs gleicht sich die Beitragslast an den regulär zu leistenden Beitrag an.